Über den Geschichtsrevisionismus bei der AfD
Zwischen den Zeilen der Parteiprogramme
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) macht in seinem Gutachten zur AfD im Kontext Revisionismus noch auf eine weitere Stelle im Grundsatzprogramm aufmerksam. So schreibt die AfD im Kapitel „Außen und Sicherheitspolitik“ von „allierten Truppen“ in Bezug auf in Deutschland stationierte ausländische Streitkräfte. Das BfV hält dazu fest, dass es in diesem Zusammenhang unzutreffend sei, diese als „Alliierte“ zu bezeichnen, da die Bundesrepublik „auf Basis des Zwei-plus-Vier-Vertrags mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 auch die volle Souveränität wiedererlangt hat“. Der Begriff suggeriere hingegen „ein Fortbestehen eines wie auch immer gearteten Besatzungszustands, der seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs anhalte“. Der Inlandsgeheimdienst kommt zu dem Schluss, dass die Forderung „zumindest den Schluss nahe [legt], dass die AfD Zweifel an der Souveränität der Bundesrepublik hegt und insoweit rechtsextremistischen Motiven nahestehen könnte“. Es lasse sich aber aufgrund der „unklaren Zielrichtung“ der Forderung hierbei „kein Beleg für eine revisionistische Einstellung der Partei ableiten“.
„180-Grad-Wende“ und „Vogelschiss“: Die Führungsfiguren
Vom „Schuldkult“ zum „Gutmensch“
Einem ntv-Bericht zufolge haben bei einer Forsa-Studie 80 Prozent der Befragten AfD-Anhänger*innen angegeben, es werde Zeit, einen Schlussstrich unter die Zeit des Nationalsozialismus zu ziehen – allerdings äußerten sich demnach auch 42 Prozent der anderen Befragten so. Zudem werteten nur 33 Prozent der AfD-Anhänger*innen das Ende des Zweiten Weltkriegs als Befreiung, bei den Wahlberechtigten ohne AfD-Präferenz sind es 65 Prozent. Dem Bericht zufolge gaben 15 Prozent der befragten AfD-Anhänger*innen zudem an, sie glaubten, die NS-Verbrechen seien Propaganda der Siegermächte.
Für Jens-Christian Wagner ist klar, dass derartige Positionierungen eine tragende Rolle für die Partei spielen: Das eigentliche Kernthema sei zwar Migration, aber wer für Abschottung und Grenzschließungen argumentiere, müsse den Grundkonsens angreifen, der sich seit den 1970er Jahren auch anhand der Negativfolie Nationalsozialismus gebildet habe, sagt er. „Die AfD sieht das ‚Gutmenschentum‘ als Folge des ‚Schuldkults‘, de wegen will sie die Axt an die Erinnerungskultur legen.“ Dem gelte es entgegenzuwirken.
Wagner warnt, dass ein großer Teil der Bevölkerung durchaus aufgeschlossen für eine bestimmte Form des Geschichtsrevisionismus sei. „Friede, Trauer, Eierkuchen“, da mache jeder mit, aber wenn man etwa die Frage aufwerfe, warum das nationalsozialistische Konzept der „Volksgemeinschaft“ für viele Menschen so attraktiv war, treffe man auf Abwehr. Zugleich beobachtet der Historiker auch unter denjenigen, die die AfD und ihre Positionen ablehnen, eine Repolitisierung: „Eine Reaktion, die Hoffnung macht.“
Aus dem Themenheft „Wie die Rechten die Geschichte umdeuten“